Der Qualifizierung von Mitgänger-Flurförderzeugführern wird in den Betrieben in den letzten Jahren zunehmend Beachtung geschenkt. Das ist nicht zuletzt der Fall, da mit diesen Geräten die Unfallzahlen höher sind als man zunächst denkt. Ein Grund für diese hohen Unfallzahlen ist, dass die Qualifizierung in diesem Bereich in der Vergangenheit oft vernachlässigt wurde.
Unfallzahlen
Wie nachfolgende Abbildung zeigt, liegen die Unfallzahlen von Mitgänger-Flurförderzeugen in Summe jedes Jahr bei über 5.000 Stück. Im Jahr 2018 lag der Höchststand in Summe sogar bei fast 10.000 gemeldeten Arbeitsunfällen. Wie hoch die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Arbeitsunfällen ist, ist unbekannt.
Die DGUV unterscheidet bei der Kategorisierung der Unfallzahlen nicht nur zwischen Mitgänger-Flurförderzeug und Flurförderzeugen mit Fahrerplatz, sondern zusätzlich nach dem Antrieb.
Bis 2018 lagen die Unfallzahlen des rein muskelkraftbetriebenen Handgabelhubwagens dauerhaft über 5.000, sogar mit einer steigenden Tendenz. Nach einem Abfallen der Unfallzahlen 2019 und 2020 steigen diese in den letzten Jahren wieder. Ebenfalls steigend ist die Tendenz bei den restlichen Mitgänger-Flurförderzeugen mit zusätzlichem Kraftantrieb.
Anmerkung: Die Senkung der Unfallzahlen von 2019 auf 2020 ist zumindest teilweise auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, in der weniger Menschen im Betrieb gearbeitet haben.
Damit diese Unfallzahlen nicht weiter steigen, ist die Qualifizierung des Bedienpersonals eine effektive Maßnahme.
Häufige Unfallursachen sind:
- Eigenes Anfahren des Bedieners. Besonders schlimm, wenn keine Sicherheitsschuhe getragen werden.
- Anfahren anderer Personen.
- Herabfallen von Lasten, v. a. bei Geräten mit Hubmast.
Was sind Mitgänger-Flurförderzeuge?
Unter Mitgänger-Flurförderzeugen versteht man Flurförderzeuge, die durch eine mitgehende Bedienperson bedient wird. Sie werden auch deichselgeführte Flurförderzeuge genannt.
Dies umfasst folgende Bauarten:
- Niederhubwagen (in der Praxis häufig Ameise genannt)
- Hochhubwagen
- Doppelstockgeräte
- Spreizenstapler
Je nach Modell ist auch eine ausklappbare Fahrerstandplattform vorhanden. Diese Geräte können also sowohl mitgehend als auch mitfahrend bedient werden. Hierbei gilt folgendes:
"Mitgänger-Flurförderzeuge mit Fahrerstandplattform, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt, gelten als Flurförderzeuge mit Fahrerstand."
- Durchführungsanweisung zu § 7 Abs. 2 der DGUV Vorschrift 68 "Flurförderzeuge"
Schulungsmedien
Wer Rechtssicher sein möchte, kann das Bedienpersonal von Mitgänger-Flurförderzeugen mit den Schulungsmedien des Resch-Verlags qualifizieren.
Einer kompakte Präsentation, die den begrenzten zeitlichen Möglichkeiten in der betrieblichen Praxis gerecht werden, aber gleichzeitig alle relevanten Inhalte ausreichen behandelt, bietet die Grundlage für Ihre Schulung.
Um die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, ist danach eine Lernerfolgskontrolle durchzuführen. Dafür können die perfekt auf die Präsentation abgestimmten Testbogen verwendet werden.
Nach bestandener Prüfung sollte zur rechtlich einwandfreien Dokumentation und Nachvollziehbarkeit i. A. a. DGUV Grundsatz 308-001 ein Fahrausweis und ein Qualifikationszertifikat ausgestellt werden.
Damit das Bedienpersonal während und nach der Schulung eine Möglichkeit hat alles nachzuschlagen, das für die sichere Bedienung der Geräte wichtig ist, sollte zu Beginn jeder Schulung Begleitmaterial ausgeteilt werden. Dadurch wird die Arbeitssicherheit auch nach der Schulung dauerhaft erhöht.
Wie muss die Qualifizierung aussehen?
Um diese Frage umfassend zu beantworten, muss beachtet werden, dass für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln verschiedene Institutionen rechtliche Vorgaben geben können. Für diese Fragestellung sind vor allem die Vorgaben der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und die aus den technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) relevant. Beide Vorgaben müssen parallel beachtet werden, um im Falle eines Unfalls rechtssicher zu sein und keine Rechtsfolgen befürchten zu müssen.
Was die DGUV fordert
Seitens der DGUV greift für Mitgänger-Flurförderzeuge eine Ausnahme was die Anforderungen an das Fahr- und Steuerpersonal angeht.
"Der Unternehmer darf mit dem Steuern von Mitgänger-Flurförderzeugen nur Personen beauftragen, die geeignet und in der Handhabung unterwiesen sind."
- DGUV Vorschrift 68 "Flurförderzeuge" § 7 Abs. 2
Personal, das Mitgänger-Flurförderzeuge bedient muss also nicht wie Bedienpersonen von Flurförderzeugen mit Fahrerstand ausgebildet sein und ihre Befähigung nachgewiesen haben (es sei denn das Mitgänger-Flurförderzeug verfügt wie oben erwähnt über eine Fahrerstandplattform und fährt schneller als 6 km/h). Prüfungen in Theorie und Praxis schreibt die DGUV für reine Mitgänger-Flurförderzeuge also nicht vor.
Bei den Flurförderzeugen mit Fahrersitz oder Fahrerstand wird häufig auch davon gesprochen, dass ein "Staplerschein" nötig ist. Damit ist ein Fahrausweis gemeint, der nach einer erfolgreichen Schulung zum Staplerfahrer bzw. zur Staplerfahrerin nach bestandenen Prüfungen von den Qualifizierenden / Ausbildenden ausgestellt wird.
Doch wie hat nun diese Unterweisung in der Handhabung eines Mitgänger-Flurförderzeugs auszusehen? Dafür lohnt sich ein Blick in den DGUV Grundsatz 308-001, der eigentlich zunächst nur für die Qualifizierung von Fahrpersonal von Flurförderzeugen mit Fahrersitz oder Fahrerstand Anwendung findet.
"Die Unterweisung in der Handhabung von Mitgänger-Flurförderzeugen sollte aus einem praktischen und einem theoretischen Teil bestehen und sicherstellen, dass Bedienpersonen alle für ihre Tätigkeit erforderlichen rechtlichen Grundlagen kennen und Fahrmanöver sicher beherrschen."
- DGUV Grundsatz 308-001 Punkt 1.2
Häufig findet in der Praxis allerdings nur eine kurze Einweisung in das konkret zu bedienende Gerät statt, in der lediglich in wenigen Minuten die Bedienelemente erklärt werden. Über auftretende Gefahren und rechtliche sowie physikalische Grundlagen wird dabei meist nicht gesprochen.
Eine solche Einweisung ist nach dem zitierten DGUV Grundsatz 308-001 unzureichend, da sie nur in der Praxis stattfindet und somit bereits der theoretische Teil fehlt. Um Fahrmanöver zudem sicher zu beherrschen wären in der Theorie physikalische Grundlagen nötig und in der Praxis weitere Fahrübungen.
Anstelle des zitierten Absatzes führte die noch kürzlich (bis Dezember 2022) geltende Version des DGUV Grundsatz 308-001 übrigens interessanterweise auf, dass „auf Grund der geringeren Fahrgeschwindigkeit (maximal 6 km/h) bei dieser Gerätebauart das Gefährdungspotenzial geringer ist“. Dieser Passus ist in der überarbeiteten Fassung ersatzlos entfallen, eventuell weil das Gefährdungspotential mittlerweile als höher angesehen wird, obwohl die Geräte langsamer fahren.
Nach den Vorgaben der DGUV ist für Mitgänger-Flurförderzeugführer also keine Qualifizierung nach DGUV Grundsatz 308-001 nötig, also auch kein Staplerschein im klassischen Sinne mit Prüfungen. Es ist aber dennoch nötig ausführlich in Theorie und Praxis unterwiesen zu werden über alles, was für die sichere Bedienung wichtig ist.
Vergleicht man nun einmal die Gefahren eines Hochhubwagens (Hubhöhe teilweise bis 5 Meter) als Mitgänger-Gerät mit denen eines ganz ähnlichen Gerätes mit Fahrersitz, so sollte man zu dem Schluss kommen, dass die Gefahren nicht unbedingt geringer und teilweise aufgrund des fehlenden Fahrerschutzdaches sogar höher sind und somit auch die Qualifizierung bzw. Unterweisung in der Handhabung in einem ähnlichen Umfang stattfinden sollte.
Was die TRBS fordert
Parallel zu den Vorgaben aus DGUV Vorschrift 68 und DGUV Grundsatz 308-001 gilt die noch recht neue TRBS 1116 (Veröffentlicht im März 2023), die sich zunächst allgemein mit der Qualifizierung für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln befasst (Hier wird bereits nicht mehr von Unterweisung gesprochen, sondern von Qualifizierung, so wie auch der DGUV Grundsatz 308-001).
Im Abschnitt 3.2 unter Punkt 7 werden allerdings beispielhaft Arbeitsmittel aufgelistet, für die eine Beauftragung zum Bedienen vom Unternehmer vorliegen muss. Darunter werden auch "Flurförderzeuge, die durch Mitgänger geführt werden" genannt.
Um entscheiden zu können welche Person beauftragt werden soll und welche nicht, fordert die TRBS 1116 Lernerfolgskontrollen.
"Lernerfolgskontrollen dienen dem Nachweis, dass die Beschäftigten über die für eine Beauftragung nach Abschnitt 3.7 erforderliche Qualifikation verfügen. [...] Bestandteil der Qualifizierung sind daher eine oder mehrere Lernerfolgskontrollen, die sich auf die theoretischen und auf die praktischen Inhalte beziehen."
- TRBS 1116 Punkt 4.6
Seitens der TRBS ist also zusätzlich zu den zuvor erläuterten Vorgaben der DGUV auch eine oder sogar mehrere (in Theorie und Praxis) Lernerfolgskontrollen / Prüfungen durchzuführen, auf deren Basis eine Entscheidung über die Beauftragung getroffen werden kann. Man nähert sich also immer weiter den Vorgaben an, die auch für Stapler mit Fahrersitz gelten. Die TRBS 1116 gilt dabei für alle Flurförderzeuge - unabhängig davon, ob sie nur durch Muskelkraft betrieben sind wie z. B. der Handgabelhubwagen.
Wie muss die Beauftragung aussehen?
Auch hier vertreten DGUV und TRBS zwei unterschiedliche Meinungen.
Die DGUV vertritt folgende Auffassung:
"Versicherte dürfen Flurförderzeuge nur steuern, wenn sie vom Unternehmer hiermit beauftragt sind."
- DGUV Vorschrift 68 "Flurförderzeuge" § 7 Absatz 3
Die Vorgabe, dass diese Beauftragung schriftlich erteilt werden muss gilt dabei nur für Fahrersitz- und Fahrerstandgeräte. Sie wird auch nochmals konkretisiert:
"Dieser DGUV Grundsatz findet keine Anwendung auf Flurförderzeuge, die durch eine mitgehende Bedienperson, auch Mitgänger genannt, gesteuert werden. [...] Die Beauftragung der Bedienpersonen muss in diesem Fall nicht schriftlich erfolgen."
- DGUV Grundsatz 308-001 Punkt 1.2
Die DGUV sieht eine mündliche Beauftragung als ausreichend an. Die Position der TRBS geht allerdings auch hier einen Schritt weiter.
Bereits in der TRBS 2111 Teil 1 wird von einer "schriftlichen Beauftragung zum selbständigen Steuern von Flurförderzeugen" gesprochen (TRBS 2111 Teil 1 Punkt 3.3.9 Absatz 2), unabhängig davon, ob das Flurförderzeug einen Fahrerstand hat oder nicht.
Diese Linie verfolgt die TRBS konsequent auch in der TRBS 1116 weiter.
"Die Beauftragung von Beschäftigten hat nachvollziehbar zu erfolgen. Dies kann z. B. durch einen Fahrer- oder Bedienerausweis [...] erfolgen"
- TRBS 1116 Punkt 3.7
Dieser Passus bezieht sich auch auf Mitgänger-Flurförderzeuge, da diese sich im Anwendungsbereich der TRBS 1116 befinden. Eine Beauftragung, die auch für Dritte nachvollziehbar ist, ist einzig und allein eine schriftliche.
Es wird sogar auf den Fahrausweis verwiesen. Nicht umsonst gibt es auch den Fahrausweis für Mitgänger-Flurförderzeuge, denn auch in diesem Bereich muss qualifiziert und beauftragt werden. Und wenn sowieso qualifiziert wird, sollte darüber auch ein Befähigungsnachweis in Form eines Fahrausweises und Zertifikates ausgestellt werden, um rechtssicher zu sein.
Fazit
Fasst man die Forderungen seitens der DGUV und TRBS zusammen, ist auch das Steuerpersonal von Mitgänger-Flurförderzeugen ausreichend über alle nötigen rechtlichen Grundlagen sowie über die sichere Durchführung aller Fahrmanöver in Theorie und Praxis zu unterweisen. Den Abschluss der Unterweisung stellt eine Lernerfolgskontrolle / Prüfung dar und bevor die Personen eingesetzt werden, ist eine schriftliche Beauftragung auszustellen.
Alles in allem klingt das bereits auffällig ähnlich zu den Voraussetzungen, die für einen klassischen Gabelstapler mit Fahrersitz gelten.