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Arbeitsmittel­bezogene Eignungs­untersuchungen und -feststellungen - insbesondere bei Fahr- und Steuerpersonal

Oktober, 2015
Erschienen:
BPUVZ – Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung

(Wenn im Artikel von Mitarbeitern/Kollegen nur in männlicher Form gesprochen wird, ist damit natürlich
selbstredend auch die weibliche Form angesprochen. Es dient nur der Vereinfachung.)

Die Frage des Fragens

Die Frage, was ein Arbeitgeber einen (potenziellen) Mitarbeiter fragen darf und was nicht, aber auch was er fragen muss, um bestimmte Voraussetzungen in der Person des Mitarbeiters beurteilen und entscheiden zu können, ob er ihn beschäftigen kann, ist ein viel diskutiertes Thema zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Betriebsräten und Ärzten. Unzählige Gerichtsentscheidungen darüber füllen ganze Regale.

Hierbei müssen wir grundsätzlich unterscheiden in Fragen, die das Arbeitsverhältnis betreffen und
die, die es nicht betreffen.

Fragen, die das Arbeitsverhältnis gar nicht betreffen, darf der Arbeitgeber nicht stellen. Würden sie dennoch gestellt werden, hätte der Mitarbeiter sogar ein Lügerecht – mit der Konsequenz, dass der Arbeitgeber daraus keine rechtlichen Konsequenzen herleiten könnte. Das sind z. B. persönliche Fragen, wie die nach der sexuellen Orientierung, Religionszugehörigkeit oder dem körperlichen Allgemeinzustand des Mitarbeiters.

Aber auch hier muss bereits differenziert werden:
Will z. B. ein Arbeitgeber eines kirchlichen Trägers ein Arbeitsverhältnis eingehen, kann die Frage nach der Religionszugehörigkeit durchaus eine Rolle spielen. Diese Frage wäre dann insoweit für den Arbeitsplatz relevant – also zulässig zu stellen.

Auch bei gesundheitlichen Fragen kann es problematisch sein. So ist die generelle Frage: „Leiden Sie unter einer ansteckenden oder schweren Krankheit?“ an sich nicht zulässig. Besteht aber durch diese Krankheit im Betrieb eine Ansteckungsgefahr für Kollegen oder ist der Mitarbeiter durch diese Krankheit dauerhaft gehindert seine Arbeitsleistung zu erbringen, besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers dies zu hinterfragen.

Unproblematisch sind hingegen Fragen, die nur auf den konkreten Arbeitsplatz abzielen, wie die nach beruflichen und fachlichen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen im Umgang z. B. mit Arbeitsmitteln, die der Mitarbeiter bedienen muss. Das schließt auch das Erfragen von Prüfungs- und Zeugnisnoten mit ein. Dementsprechend hat der Mitarbeiter hier auch kein „Lügerecht“. Sagt er die Unwahrheit, kann dies zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, wie schlimmstenfalls zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung (sogar verbunden mit möglichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers).

Eignung – Befähigung

Unabhängig dieses „allgemeinen“ Komplexes des Fragerechts gibt es einen Bereich, in dem der Arbeitgeber feststellen muss, ob jemand für eine Tätigkeit geeignet ist. Hier besteht nicht nur die Berechtigung des Fragens, sondern geradezu eine Verpflichtung die Eignung zu ermitteln und festzustellen.

Nehmen wir das große Gebiet der mobilen Arbeitsmittel in unseren Betrieben – also unsere Fahrzeuge, Flurförderzeuge, Hubarbeitsbühnen oder Erdbaumaschinen. Alle diese Fahrzeuge dürfen neben dem Erfordernis der Qualifikation/Ausbildung/Unterweisung nur von geeignetem Personal bedient werden. Das gibt schon das Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG und die Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV vor.

So bestimmt § 7 ArbSchG, dass nur befähigte Beschäftigte mit Aufgaben zu betrauen sind. Das bedeutet die körperliche und geistige Beurteilung festzustellen/zu prüfen.
Die neue, seit 01.06.2015 geltende BetrSichV fordert im Anhang 1 Punkt 1.9:

„Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass selbstfahrende Arbeitsmittel nur von Beschäftigten geführt
werden, die hierfür geeignet sind.“

BetrSichV, Anhang 1 Punkt 1.9

(Das Merkmal der Eignung war übrigens schon in der alten BetrSichV von 2002 Voraussetzung einer Beauftragung und ist insoweit keine Neuerung.)

Für die einzelnen mobilen Arbeitsmittel konkretisieren dies die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften:

  • DGUV Vorschrift 52 „Krane“
  • DGUV Vorschrift 68 „Flurförderzeuge“
  • DGUV Vorschrift 70 „Fahrzeuge“
  • DGUV Regel 100-500 Kap. 2.10 „Hubarbeitsbühnen“
  • DGUV Regel 100-500 Kap. 2.12 „Erdbaumaschinen

Ärztliche Schweigepflicht

Die Verantwortung über die positive Feststellung der Eignung trägt der Arbeitgeber. Er kann diese Eignung selbst feststellen und beurkunden/schriftlich festhalten. Er kann sich hierbei auch fachlicher Hilfe bedienen, wie z. B. Betriebsärzten oder Arbeitsmedizinern. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Ärzte der Schweigepflicht unterliegen. Das darf aber nicht dazu führen, dass diese so weit geht, dass der Unternehmer gar kein Ergebnis der Eignungsuntersuchung mitgeteilt erhält. Das würde im Ergebnis dazu führen, dass mangels Feststellung der positiven Eignung der Mitarbeiter nicht auf dem Arbeitsmittel beschäftigt werden darf. Es muss also in der Konsequenz immer die Feststellung erfolgen, ob geeignet oder nicht geeignet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Fragerecht des Arztes bei der Eignungsuntersuchung auch nur so weit geht, wie das des Arbeitgebers. Bestehen hier auf Seiten der Ärzte Bedenken, so kann dies z. B. durch Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gelöst werden, was z. B. durch Vereinbarung mit dem Mitarbeiter – natürlich unter Wahrung der (Zustimmungs)Rechte des Betriebsrates – möglich ist. Im Grunde genommen bedarf es aber einer solchen Entbindungserklärung nicht, wenn man sich vor Augen führt, das der Arbeitgeber die Eignung – in welcher Form auch immer – positiv feststellen muss und man dem Mitarbeiter klar macht, dass ohne eine solche Feststellung – sei es vom Unternehmer selbst, einem Beauftragten, Ausbilder, Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Betriebsarzt – eine Beauftragung zur entsprechenden Tätigkeit mit dem (mobilen) Arbeitsmittel nicht möglich ist.

Übrigens: Wen der Arbeitgeber für geeignet hält die Eignung feststellen zu lassen, liegt in seinem Ermessen und ist Bestandteil seiner Unternehmerverantwortung. So bestimmen die arbeitsmittelbezogenen berufsgenossenschaftlichen Vorschriften, dass der Unternehmer die Eignung durch ärztliche Untersuchungen feststellen kann. So ist im DGUV Grundsatz 308-001 für Flurförderzeuge zu lesen, dass die körperliche Eignung „zweckmäßigerweise“ durch eine ärztliche Untersuchung festgestellt wird und dazu der „Berufsgenossenschaftliche Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen G 25 – Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ „wichtige Anhaltspunkte“ gibt.

Das gleiche gilt auch für Kranführer (DGUV Grundsatz 309-003) oder Hubarbeitsbühnenbediener (DGUV Grundsatz 308-008) und wird auch bei Erdbaumaschinenführern und anderen Fahrzeugführern so analog übernommen (DGUV Regel 100-500 Kap. 2.12 bzw. DGUV Vorschrift 70).

Feststehen sollte, dass in Zweifelsfällen bei der Klärung der Eignung immer ein Fachmann in Person eines Arztes hinzugezogen werden sollte!

Vorsorgeuntersuchungen

Nicht zu verwechseln oder gleichzustellen mit der Eignungsfeststellung sind im Übrigen die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge – ArbMedVV, die ihre gesetzliche Grundlage in § 11 ArbSchG haben. Diese arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen liegen vorwiegend im Interesse des Mitarbeiters und bedürfen auch seiner Zustimmung (ArbMedVV „ 2 Absatz 1 Nr. 3). Sie dienen der Prävention, also der möglichst frühzeitigen Ermittlung und Feststellung gesundheitlicher Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz. Hier hat der Arzt nur dann eine Berechtigung, das Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung dem Arbeitgeber mitzuteilen, wenn der Beschäftigte dem ausdrücklich zustimmt (ArbMedVV § 6 Absatz 4). Also anders als bei der Eignungsfeststellung ist diese Vorsorgeuntersuchung nicht ergebnisrelevant für die weitere Beschäftigung.
Anmerkung: Es sollte allerdings im eigenen Interesse des Mitarbeiters liegen, wenn der Arbeitgeber Kenntnisse von Gesichtspunkten aus der Vorsorgeuntersuchung erhält, um auf Missstände, Gefahren oder Gesundheitsrisiken reagieren zu können und sie abzustellen, z. B. durch Arbeitsplatzwechsel des Mitarbeiters im Betrieb oder Gefahrenbeseitigung (Gefährdungsanalyse)

Eignungsuntersuchungen

Anders als bei Vorsorgeuntersuchungen kann das Weigern an der Teilnahme von Eignungsfeststellungen für den Mitarbeiter arbeitsrechtliche Konsequenzen haben (z. B. BAG Urteil 2 AZR 811/11) – sei es, dass er nicht auf bestimmten Arbeitsmitteln eingesetzt werden kann bis hin zur betriebsbedingten Kündigung für den Fall, dass der Unternehmer keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für ihn hat.
Anders als die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen dienen die Eignungsuntersuchungen vorwiegend dem Unternehmer-/Arbeitgeberinteresse zu seiner Absicherung, aber auch dem Schutz Dritter, indem diese nicht durch Personen gefährdet werden, die im Umgang mit den konkreten Arbeitsmitteln nicht geeignet sind.
Mittelbar dient die Eignungsbeurteilung aber natürlich auch dem Mitarbeiter selbst, um eine Eigengefährdung auszuschließen oder auch der Vorbeugung von Unfällen, für die er haftbar gemacht werden kann (z. B. zivil- oder strafrechtlich). So bestimmt die DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention in § 7, dass nur befähigte/geeignete Mitarbeiter (bezogen auf die jeweilige Tätigkeit und das jeweilige Arbeitsmittel) eingesetzt werden dürfen. § 7 Absatz 2 schreibt dem Unternehmer ausdrücklich „ins Stammbuch“:

Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich
oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.

- Grundsätze der Prävention § 7 Absatz 2

Diese Eignungsfeststellungen sind im Übrigen auch vom Unternehmer/Arbeitgeber mit in seine Gefährdungsbeurteilung mit einzubeziehen (ArbSchG, BetrSichV). Sie dienen ganz wesentlich der Unfallverhütung und müssen verantwortungsvoll von allen damit betrauten Personen wahrgenommen werden – aber immer im Interessenausgleich und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter.

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