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Was man aus der Formel 1 über Arbeitssicherheit im Betrieb lernen kann

Oktober, 2022
Erschienen:
Betriebliche Prävention

Mit über 1000 PS in unter 5 Sekunden von 0 auf 200 km/h und mit über 300 km/h durch die Kurve. Das hat nicht viel mit einem Gabelstapler, Bagger oder Kran zu tun und dennoch kann man aus der Formel 1 viel über die Arbeitssicherheit in einem Betrieb lernen.

Denn obwohl ein Formel-1-Rennen zunächst äußerst gefährlich ist und es in der Geschichte des Sports leider auch schon Todesfälle deswegen gab, gibt es in der modernen Formel 1 fast keine Verletzungen mehr. Und all das nur, weil sich die Maßnahmen zu Gunsten der Sicherheit erhöht haben. Auch wenn die Arbeit in der Formel 1 vielleicht etwas unüblich ist, handelt es sich bei diesen Maßnahmen dennoch um Arbeitssicherheit.

In diesem Artikel geht es demnach um die technischen, organisatorischen und persönlichen (TOP-Prinzip) Maßnahmen, die zu einer höheren Arbeitssicherheit in der Formel 1 geführt haben. Diese betreffen das Formel-1-Auto als Arbeitsmittel, die Rennstrecke als Arbeitsstätte und verschiedene Vorgänge wie den Boxenstopp oder die Bergung eines verunfallten Fahrzeugs. Viele der dort angewandten Maßnahmen können auch auf einen konventionelleren Betrieb übertragen werden.

Die etwas andere persönliche Schutzausrüstung

Alle Fahrer sowie weitere gefährdete Personen (z. B. die Boxencrew) müssen ganz bestimmte von der FIA (Fédération Internationale de l'Automobile) vorgeschriebene persönliche Schutzausrüstung (PSA) tragen.

Am präsentesten ist dabei der Rennhelm, in dem mittlerweile sogar eine kleine Kamera sitzt, um die Geschehnisse aus der Sicht des Fahrers miterleben zu können. Auch bezüglich der Arbeitssicherheit ist es interessant, einen Unfallhergang direkt aus der Sicht der Beteiligten sehen zu können. So können im Nachhinein die Unfallursachen einfacher geklärt werden. Der Kopf der Fahrer ist aufgrund der Bauart des Formel-1-Wagens exponiert, weshalb der Helm große Kräfte, z. B. von einschlagenden Kleinteilen, aushalten muss. Bei Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h wirken auch kleinste Carbonsplitter wie Projektile.

Unter dem Helm sitzt eine Sturmhaube, die wie alle anderen Kleidungsstücke – sogar bis hin zu den Socken - aus speziellen feuerfesten Nomex-Textilfasern besteht. Denn ein Formel-1-Wagen ist ein Arbeitsplatz mit erhöhter Brandgefahr, insbesondere im Falle eines Motorschadens oder Unfalls. Dies zeigte sich erst 2020 wieder in einem schlimmen Feuerunfall von Romain Grosjean in Bahrain, den er glücklicherweise und nicht zuletzt wegen seiner PSA bis auf wenige Verbrennungen unbeschadet überstanden hat.

Ein ebenfalls feuer- und zudem reißfester Rennanzug bietet Platz für die Sponsoren, ebenso wie die Handschuhe, die optische Puls- und Blutsauerstoffsensoren beinhalten, um die Gesundheit der Fahrer zu beobachten.

Bei der PSA verbinden sich also technische (Entwicklung und Technik der PSA), organisatorische (Auswahl und Anordnung bestimmter PSA) und persönliche (Tragen der PSA) Maßnahmen. Das Tragen der PSA wird zudem kontrolliert und bei Bedarf verschärft, denn das ist die Pflicht eines Unternehmers und somit auch der Formel 1 bzw. der FIA (BetrSichV § 3).

Formel 1 Persönliche Schutzausrüstung PSA
Max Verstappen nach einer „Pole-Position“ mit der vorgeschriebenen PSA

Solch eine High-Tech-Ausrüstung ist natürlich enorm kostspielig und deshalb für ein normales Unternehmen nicht tragbar und zum Glück auch nicht nötig. Dennoch unterstreicht es die wichtige Rolle von PSA bei der Minderung von Unfallfolgen.

In einem Betrieb, in dem mit mobilen Arbeitsmitteln wie z. B. Flurförderzeugen gearbeitet wird, sollten beispielsweise immer Sicherheitsschuhe getragen werden. Diese können die Formel-1-Fahrer nicht tragen, da sie sonst die feinfühligen Pedale nicht ausreichend genau bedienen können. Die Pedale eines Gabelstaplers sind mit Sicherheitsschuhen jedoch einwandfrei zu bedienen. Deshalb gibt es keinen guten Grund, Sicherheitsschuhe nicht anzuordnen oder nicht zu tragen. Das macht auch deshalb Sinn, da der Flurförderzeugführer das Fahrzeug verlässt und die Füße dann Gefahren ausgesetzt sind - z. B. beim Hantieren an Lasten oder Heben von Gegenständen.

Auch ein Helm und Schutzhandschuhe sind an vielen Stellen eines Betriebs sinnvoll und notwendig. Nicht zuletzt ist auch feuerfeste PSA relevant für bestimmte Betriebe wie z. B. Gießereien.

Ausbildung eines Rennfahrers

Man könnte meinen, dass jede Person, die genug Talent hat, auch in der Formel 1 fahren darf. Dem ist jedoch nicht so. Da es sich bei einem Formel-1-Wagen um ein sehr kompliziertes und gefährliches Fahrzeug handelt, müssen die Fahrer bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um die sogenannte Superlizenz zu erhalten (geregelt in Anhang L des internationalen Sportcodex der FIA):

  • Mindestalter: 18 Jahre
  • Besitz eines gültigen Führerscheins
  • Bestimmte Anzahl an Rennen bzw. gute Platzierungen in anderen Rennserien (Formel 2, DTM usw.)
  • Ausreichende Eignung

Diese Regeln wurden über die Zeit immer mehr verschärft. Dadurch stellt die Formel 1 sicher, dass nur ausreichend qualifizierte Fahrer einen Grand Prix bestreiten.

Auch ein Unternehmer darf in seinem Betrieb nur qualifiziertes Personal einsetzen (u. a. BetrSichV, ArbSchG § 7, DGUV V 52 & 68), weshalb auch Staplerfahrer, Kranführer oder Bediener anderer mobiler Arbeitsmittel eine Ausbildung durchlaufen und Prüfungen ablegen müssen. Die Voraussetzungen von Fahr- und Steuerpersonal sind dabei teilweise sogar identisch mit denen eines Formel-1-Fahrers.

Für das selbstständige Steuern von mobilen Arbeitsmitteln gilt ebenfalls ein Mindestalter von 18 Jahren. Und auch der Besitz eines gültigen Führerscheins ist für viele mobile Arbeitsmittel nötig, wenn Sie im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs sind.

Die Superlizenz ist der Befähigungsnachweis der Formel-1-Fahrer und letztendlich vergleichbar mit einem Fahrausweis, den jeder Unternehmer seinem Fahr- und Steuerpersonal nach erfolgreicher Ausbildung ausstellen sollte.

Fahrausweis Gabelstapler - Resch-Verlag und Bernd Zimmermann / IAG Mainz
Fahrausweis für Gabelstapler vom Resch-Verlag

In diesem Fahrausweis kann auch die Eignung eingetragen werden. Denn sowohl ein Formel-1-Fahrer als auch ein Fahrer mobiler Arbeitsmittel müssen geeignet sein (z. B. DGUV V 68), was in einer Eignungsbeurteilung festzustellen ist.

Sicherheitseinrichtungen am Formel-1-Auto

Eine Kritik vieler Zuschauer ist, dass die Formel 1 Fahrzeuge mittlerweile zu schwer geworden sind. Seit 2017 ist das Gewicht der Autos trotz gleichbleibender Größe um mehr als 50 kg angestiegen, was in der Welt des Rennsports äußerst viel ist. Doch ein Großteil dieses Gewichtsplus ist in die Sicherheit geflossen. Jeder Unternehmer ist dazu verpflichtet, ausreichend sichere Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen (BetrSichV). Das nimmt auch die Formel 1 sehr ernst.

Deshalb gibt es zahlreiche Sicherheitseinrichtungen an einem Formel-1-Wagen, die z. B. auch mit denen eines Gabelstaplers vergleichbar sind:

  • Der Überrollschutz ganz oben am Fahrzeug hinter dem Kopf des Fahrers ist wie eine offene Fahrerkabine und bietet Schutz beim Umkippen bzw. Überschlag.
  • Der sogenannte „Halo“ ist der Titanbügel direkt über dem Kopf des Fahrers und in etwa vergleichbar mit einem Fahrerschutzdach. Er schützt den Fahrer vor größeren ankommenden losen Teilen wie beispielsweise Rädern.
    Erst kürzlich (Juli 2022) hat dieser Halo dem Formel-1-Fahrer Zhou Guanyu in Großbritannien das Leben gerettet, als sich sein Auto nach einem Unfall überschlug und der Überrollbügel weggebrochen ist. Hier zeigt sich, dass redundante Sicherheitssysteme sinnvoll sind für den Fall, dass eines der Systeme versagt.
  • Wie beim Gabelstapler auch ist ein Gurt als Rückhaltesystem vorhanden, der ein Herausschleudern des Fahrers verhindert. Im Formel-1-Wagen ist statt eines einfachen Beckengurtes allerdings ein 6-Punkt Gurt installiert.
Formel 1 Sicherheitseinrichtungen Überrollbügen und Halo
Formel-1-Wagen aus der Saison 2020 mit „Halo“-Bügel

Diese Sicherheitseinrichtungen sind wichtig und nötig, um den Fahrer zu schützen. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Formel-1-Wagen oder einen Gabelstapler handelt.

Zudem sollten diese Einrichtungen kontrolliert werden. Dies geschieht in der Formel 1 durch eine umfassende Abnahme der Fahrzeuge bei jedem Grand Prix. Auch ein mobiles Arbeitsmittel, wie ein Stapler, eine Teleskopmaschine oder ein Kran sollte im Rahmen einer täglichen Einsatzprüfung kontrolliert werden.

4 x 4 Merkregeln Aufkleber für die tägliche Einsatzprüfung Gabelstapler
Diese Checkliste zur täglichen Einsatzprüfung vom Resch-Verlag kann als Aufkleber direkt am Gabelstapler angebracht werden.

Zusätzlich müssen mobile Arbeitsmittel mindestens einmal jährlich von einer zur Prüfung befähigten Person geprüft werden. Sicherheitsrelevante Mängel müssen sofort dem Vorgesetzen gemeldet werden und sicherheitswidrige Arbeitsmittel sollten nicht weiter eingesetzt werden (z. B. DGUV V 1 § 11).

Auch das ist in der Formel 1 nicht anders. Wenn im Rennen ein Formel-1-Auto nicht mehr ausreichend sicher ist, wird dem Fahrer die schwarz-orangene Flagge gezeigt und er muss in die Box, um den Mangel beheben oder das Fahrzeug aus dem Verkehr ziehen zu lassen.

Streng genommen ist das Formel-1-Auto also ein sehr spezielles ortsbewegliches, also mobiles Arbeitsmittel. Ein moderner Formel-1-Wagen ist mittlerweile so sicher, dass Max Verstappen 2021 mit dem 51-fachen seines Körpergewichtes in die Streckenbegrenzung in Silverstone eingeschlagen ist und – bis auf den Schock - unbeschadet aus seinem Auto aussteigen konnte.

Trotzdem musste er sich danach einer medizinischen Untersuchung unterziehen, denn auch das gehört zu den organisatorischen Maßnahmen der Arbeitssicherheit. Durch die vielen Sensoren und die Kameraübertragung ist ein Vertuschen eines meldepflichtigen Arbeitsunfalls in der Formel 1 glücklicherweise nicht möglich.

Die Rennstrecke als Arbeitsstätte der Formel 1

Die Rennstrecke ist quasi die Arbeitsstätte der Formel-1-Teams. Der Betreiber der Strecke und die Formel 1 müssen dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz möglichst sicher für die geplante Arbeit ist, so wie das jeder Unternehmer für seinen Betrieb tun muss (ArbSchG). Nur handelt es sich bei der geplanten Arbeit in diesem Fall um die Durchführung eines spektakulären Autorennens. Die Formel 1 setzt diese Verpflichtung durch verschiedene Sicherheitseinrichtungen an der Strecke um.

In der Formel 1 gilt immer: Langsamer fahren ist keine Option. Deshalb sind stattdessen die Streckenbegrenzungen so ausgeführt, dass sie sicherer sind, je höher das Unfallrisiko an einem Streckenabschnitt ist. Von einer einfachen Leitplanke wie man sie von der Autobahn kennt über klassische Reifenstapel wie auf der Kartbahn bis hin zur so genannten „TecPro Barrier“. Letztere verlängert bei einem Einschlag den Bremsweg durch Verformung und nimmt dabei viel Energie auf, wodurch die Kräfte auf den Fahrer reduziert werden.

Da im Betrieb allerdings meist eine harte Wand auf einen Gabelstapler wartet, gilt hier stattdessen: Je höher das Unfallrisiko in einem Betriebsbereich, desto langsamer sollte dort gefahren werden.

Nicht zuletzt muss ein Unternehmer dafür sorgen, dass die Gefahr, die von seiner Arbeit ausgeht, möglichst Gering ist (Verkehrssicherungspflicht). In der Formel 1 wird beispielsweise die Gefahr für die Zuschauer durch Schutzzäune vor den Tribünen reduziert.

Eine Rennstrecke muss viele Voraussetzungen erfüllen, um die „Grad 1“-Zertifizierung zu erhalten, die nötig ist, um als Arbeitsstätte der Formel 1 zugelassen zu werden. Neben möglichst sicheren Streckenbegrenzungen und den erwähnten Schutzzäunen gehören dazu auch ausreichende Auslaufzonen.

Ein besonders markantes Konzept dafür hat die Rennstrecke in Le Castellet in Frankreich. Dort gibt es Asphalt-Auslaufzonen mit vielen blauen Streifen. Diese haben einen ähnlichen Effekt wie eine Antirutschmatte, nämlich, dass Sie den Reibbeiwert erhöhen. Ein Formel-1-Wagen soll dadurch stärker gebremst werden. Bei der Antirutschmatte soll der höhere Reibwert dafür sorgen, dass sich die Ladung möglichst gar nicht erst bewegt.

Im Betrieb, z. B. in einer Halle, sollten auch der Boden und die Reifen der Fahrzeuge aufeinander abgestimmt sein, damit es nicht zum Rutschen kommt. Das geschieht in der Formel 1 ebenfalls, indem immer möglichst die Reifenmischung mit dem meisten Grip für den jeweiligen Asphalt verwendet wird (auf dem Bild zu sehen sind die weiß markierten härteren Reifen).

Formel 1 Auslaufzone
Formel-1-Rennstrecke in Le Castellet in Frankreich

Eine weitere Sicherheitsmaßnahme an der Strecke sind die vielen Streckenposten, die über die gesamte Distanz einer Runde aufgestellt sind. Diese überblicken stets das Geschehen und schwenken verschiedene Flaggen, wenn nötig. Zudem ist an den Streckenposten meist eine Zufahrt vorgesehen, damit Bergungsfahrzeuge auf die Strecke fahren können.

Formel 1 Zufahrt mit Baumaschine
Lewis Hamilton im Mercedes. Im Hintergrund stehen in der Zufahrt eine Teleskopmaschine sowie Streckenpersonal zur Bergung bereit.

Aus diesem Aufbau ist viel für die Arbeitssicherheit im Unternehmen zu lernen:

  • Im Betrieb sollten genug Personen vorhanden sein, die das Geschehen überblicken und bei Gefahr einschreiten können. So kommt der Unternehmer auch automatisch seiner Aufsichtspflicht nach (z. B. BGB).
  • Neben den Verkehrswegen (Rennstrecke) muss eine Arbeitsstätte stets genügend Fluchtwege (Zufahrten) vorweisen können.

Auch sollte im Ernstfall eine Rettung möglichst schnell stattfinden. Für Rennstrecken in der Formel 1 gilt deshalb, dass das nächstgelegene Krankenhaus innerhalb einer relativ kurzen Zeit erreicht werden muss. Wenn das mit einem Krankenwagen nicht möglich ist, dann müssen Rettungshubschrauber vor Ort sein, so wie es in Österreich (Spielberg) aufgrund der ländlichen Lage der Fall ist.

In Ihrem Betrieb haben Sie nicht die Wahl, wo das nächste Krankenhaus liegt und Sie müssen sich natürlich auch keinen Helikopter anschaffen. Was Sie allerdings tun können, ist, genügend Ersthelfer auszubilden, um im Notfall direkt vor Ort mit der medizinischen Versorgung und Rettung beginnen zu können.

Boxenstopp

In nur knapp über 2 Sekunden werden mit Hilfe von mehr als 20 Mechanikern alle 4 Räder gewechselt. In diesen 2 Sekunden wird das Formel-1-Auto zu einer Last, die mit zwei speziellen Wagenhebern im Tandemhub quasi wie auf einer Hebebühne angehoben wird. Gleichzeitig werden an vier unterschiedlichen Stellen Montagearbeiten mit Spezialwerkzeug durchgeführt.

Formel 1 Boxenstopp
Die gesamte Boxencrew beim Boxenstopp von Charles Leclerc

Damit all das so schnell wie möglich geht, werden Sicherheitsabstände zur Boxencrew vernachlässigt. Selten passiert es deshalb, dass ein Mechaniker vom Fahrzeug erfasst wird, was zu Verletzungen führen kann. Im Betrieb sollte deshalb immer mindestens 0,75 m Sicherheitsabstand zu Personen und 0,5 m zu festen Teilen der Umgebung gehalten werden (Technische Regeln für Arbeitsstätten „Verkehrswege“, ASR A1.8).

Um das Risiko für die Boxencrew trotzdem zu reduzieren, ist diese von den Formel-1-Teams gut ausgebildet und trainiert worden. Zusätzlich gilt in der Boxengasse ein Tempolimit von 80 km/h. Das ist zwar immer noch sehr schnell, verglichen mit den Geschwindigkeiten auf der Strecke jedoch langsam. Hieraus kann man schlussfolgern: Wenn Personen in der Nähe von mobilen Arbeitsmitteln sind, gilt es, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen für bestimmte Betriebsbereiche oder Fahrzeuge verringern die Unfallgefahr.

Dass überhaupt so wenige Unfälle bei diesen schnellen Boxenstopps passieren, liegt nicht zuletzt daran, dass die Arbeitsabläufe bis aufs kleinste Detail feststehen und ständig trainiert sowie optimiert werden. Jede Person weiß genau, wann sie welchen Handgriff auszuführen hat und auch was sie zu tun hat, wenn etwas schief geht. Genauso sollte bei Arbeiten im Betrieb vorgegangen werden. Jede Person sollte wissen, was sie wann zu tun hat. Je gefährlicher die Arbeit, desto genauer sollten die Arbeitsanweisung und Betriebsanweisung ausfallen.

Gabelstapler Tandemhub
Quertransport eines Busses mit 4 Staplern. Hier ist absoluter Gleichtakt angesagt.

Ablauf nach einem Unfall

Wenn es zu einem Unfall kommt, wird sofort die gelbe Flagge geschwenkt und dem Fahrer zusätzlich am Display im Lenkrad angezeigt. Die gelbe Flagge ist ein Warnsignal und zeigt eine Gefahr auf oder neben der Strecke an. Die Folge: Die Geschwindigkeit muss reduziert werden und es gilt Überholverbot.

Warnsysteme wie optische Warneinrichtungen oder die Hupe als akustische Warnung sind auch an mobilen Arbeitsmitteln vorhanden. Im Endeffekt gilt bei Ihrer Betätigung das gleiche wie für einen Formel-1-Fahrer, der gelbe Flaggen sieht: Es droht Gefahr. Seien Sie also wachsam und drosseln Sie Ihre Geschwindigkeit. Stellen Sie sich auf ein Anhalten ein.

Bleibt ein Formel-1-Fahrzeug nach einem Unfall liegen, wird es häufig von Teleskopmaschinen oder Kranen neben die Strecke befördert.

Formel 1 Ladekran in Monacco
Einsatzbereiter Ladekran neben der Strecke in Monaco

Sobald diese schweren Geräte auf der Strecke sind, heißt es: „Safety Car Out“. Ein Sportwagen, das sogenannte Safety Car, fährt auf die Strecke und alle Fahrer sammeln sich dahinter und fahren mit stark gedrosselter Geschwindigkeit weiter.

Formel 1 Safety Car mit Warnleuchten
Safety Car mit Warnleuchten

Doch wieso das Ganze? Eine kurze Gefährdungsbeurteilung der Situation:

Bei Bergungsarbeiten befinden sich neben den Formel-1-Autos auf der Strecke auch schwere Geräte sowie Streckenpersonal an der Unfallstelle, die meist neben der Strecke liegt. Die größte Gefahr für alle Beteiligten ist, wenn in dieser Bergungssituation ein weiterer Rennwagen einen Unfall im gleichen Streckenabschnitt hat. Das Verheerende dabei ist der hohe Geschwindigkeitsunterschied.

Genau das ist 2014 bei einem tödlichen Unfall passiert, als Jules Bianchi in eine Erdbaumaschine eingeschlagen ist, die gerade ein anderes Fahrzeug geborgen hat. Nach diesem Unfall wurden alle Vorgänge verschärft und seitdem wird diese Gefahr immer sofort durch das Safety Car reduziert.

Ist die Gefahr allerdings auch bei Einsatz eines Safety Cars immer noch zu groß, z. B. bei einem Unfall unmittelbar auf der Strecke, wird die rote Flagge geschwenkt und das Rennen wird unterbrochen, bis die Unfallstelle geräumt ist. Das ist erst kürzlich geschehen im diesjährigen Rennen in Großbritannien nach einem schweren Unfall gleich nach dem Start.

Formel 1 Crash rote Flagge
Das ist ein Fall für eine rote Flagge. Die Gefahr für Streckenpersonal und Fahrer wären sonst zu groß.

Die Abstufung zwischen gelber Flagge, Safety Car und roter Flagge zeigt Folgendes gut auf: Je größer eine Gefahr ist, desto stärker sollten die ergriffenen Maßnahmen sein. Um Gefahren und daraus abzuleitende Maßnahmen zu ermitteln, ist der Unternehmer verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (ArbSchG, BetrSichV).

Auch kann das Vorgehen bei einer roten Flagge auf den Betrieb übertragen werden: Bei akuter Gefahr sollte die Arbeit unverzüglich eingestellt werden. Erst nachdem die Gefahr beseitigt und ein sicheres Arbeiten wieder möglich ist, sollte der Betrieb fortgesetzt werden.

Nicht zuletzt zeigen die Maßnahmen der Formel 1 auf, welche Gefahr von schweren Geräten wie Teleskopmaschinen oder Ladekranen ausgeht. Betrachtet man eine Baustelle, ist dort dauerhaft schweres Gerät am Werk und arbeitet direkt neben anderen Personen wie Gerüstbauern. Es besteht also dauerhaft eine Gefahrensituation und es muss stets umsichtig und vorschriftsmäßig gearbeitet werden. Zudem sollten die Vorgänge genau koordiniert werden.

Abbruch der Arbeit bei zu schlechten Wetterverhältnissen

Neben Unfällen kann auch das Wetter für eine gelbe oder rote Flagge sorgen. Prinzipiell kann ein Formel-1-Rennen auch bei Wind und Regen stattfinden. Zwar reagiert die komplexe Aerodynamik der Rennwagen äußert sensibel auf Wind, doch dies einschätzen zu können unterscheidet gerade die guten von den besten Fahrern.

Auch Regen ist zunächst kein Problem, da es für ein Formel-1-Wagen passende Reifen mit Profil gibt.

Formel 1 Full Wet Reifen mit Profil
„Full Wet“ Formel-1-Reifen mit Profil

Mit diesen Reifen können bei einem Tempo von 300 km/h in jeder Sekunde bis zu 85 Liter Wasser verdrängt werden. Bei stark nasser Strecke verdrängt ein Formel-1-Wagen also so viel Wasser, dass man damit alle zwei Sekunden eine ganze Badewanne befüllen könnte!

Doch bei Starkregen reicht auch das nicht aus, um Aquaplaning zu verhindern - und spätestens dann wird der Betrieb auf der Strecke eingestellt.

Formel 1 Fahrt im Regen verdrängtes Wasser
Hinter dem Auto ist das verdrängte Wasser gut zu sehen.

Genauso ist es auch im Betrieb: Bei zu schlechten Wetterbedingungen muss die Arbeit eingestellt werden. Das gilt z. B. bei Hubarbeitsbühnen bereits ab einzelnen Windböen der Stärke 6, genauer gesagt 12,5 m/sec – das wäre dann der Fall, wenn sich dicke Äste an Bäumen bewegen. (DGUV I 208-019). Auch wenn durch Regen oder Schnee die Sicht zu stark beeinträchtigt wird, muss die Arbeit eingestellt werden. Ansonsten kann sogar fahrlässiges Handeln unterstellt werden, was im Falle eines Unfalls eine Haftung nahelegt. Nässe ist insbesondere gefährlich für die Standsicherheit von Kranen oder Teleskopmaschinen im Gelände auf unbefestigtem Boden, da diese Böden nur eine geringe Bodenpressung aufweisen.

Vorgang bei der Bergung eines Formel-1-Wagens

Auch der eigentliche Vorgang der Bergung eines verunfallten Formel-1-Fahrzeugs ist interessant für die alltägliche Arbeit in Industriebetrieben.

Nach dem Unfall muss der Fahrer das Fahrzeug, wenn möglich komplett abschalten. Das umfasst den Motor, aber auch die Batterie des Hybridsystems. Das gleiche sollte im Betrieb bei Gefahr oder nach einem Unfall geschehen, indem die Not-Aus Schalter an den betroffenen Geräten betätigt werden. Dadurch wird mit nur einem Handgriff die Gefahr, die von den Maschinen ausgeht, effektiv reduziert.

In der Formel 1 wird durch das Ausschalten des Motors und der Hydraulik die Gefahr, die von dem Benzin ausgeht, reduziert. Dabei handelt es sich um einen leicht entzündlichen Gefahrstoff, weshalb bei der Bergung auch immer Feuerlöscher vor Ort sind. Diese sollten auch in jedem Betrieb vorhanden sein, insbesondere wenn mit brennbaren Stoffen gearbeitet wird. Zudem sind alle Beteiligten über die Gefahrstoffe zu unterwiesen, wie es auch beim Streckenpersonal der Fall ist (GefStoffV).

Durch das Abschalten der Batterie wird verhindert, dass elektrischer Strom über Bauteile außen am Fahrzeug abfließt. Ist das Abschalten erfolgreich, leuchtet eine grüne LED oben am Fahrzeug.

Formel 1 Spannungs-LED
Liegen gebliebenes Fahrzeug mit grüner LED: Es geht keine Gefahr von der Batterie aus.

Falls eine Gefahr von der Batterie ausgeht, leuchtet die LED rot und signalisiert damit, dass das Fahrzeug unter Strom steht. Dann heißt es für alle Außenstehenden: Sicherheitsabstand halten, wie es auch beim Arbeiten nahe elektrischer Anlagen in einem Betrieb der Fall ist.

Auch hier gilt wie beim Formel-1-Auto, dass der Strom vor Beginn der Arbeit vom Betreiber der elektrischen Anlage möglichst abzuschalten ist. Wenn das noch nicht geschehen bzw. nicht möglich ist, sollten bei unbekannter oder hoher Spannung mindestens 5 Meter Sicherheitsabstand eingehalten werden (DGUV V 3).

NennspannungSicherheitsabstand
bis 1000 V1,0 m
über 1 kV bis 110 kV3,0 m
über 110 kV bis 220 kV4,0 m
über 220 kV bis 380 kV5,0 m
unbekannt5,0 m
Mindestabstände in Abhängigkeit der Nennspannung einer elektrischen Leitung (Quelle: DGUV V 3).

Die Batterie in einem Formel-1-Auto hat etwa 1000 V. Der Mindestsicherheitsabstand müsste also nur 1 m betragen. Ein Anfassen könnte dennoch tödlich enden bei einer Spannung, die immerhin etwa 4-mal so hoch ist wie bei einer Haushaltssteckdose. Bei Strom genügt im Übrigen bei hohen Spannungen schon die bloße Annäherung an die Leitung, um einen Stromüberschlag auszulösen.

Steht ein Fahrzeug unter Strom, sollte der Fahrer dieses wenn möglich nicht verlassen, da der Strom am Fahrzeugchassis entlangfließt und der Fahrer dabei im Inneren geschützt ist (Prinzip des Faraday’schen Käfigs). Er darf jedoch keine leitenden Gegenstände anfassen (v. a. Metalle). Das gilt auch für Krane oder Teleskopmaschinen, wenn es zu einem Kontakt mit elektrischen Leitungen kommt.

Wenn ein Formel-1-Fahrer das Fahrzeug verlassen muss während es unter Strom steht (wenn es z. B. zu brennen beginnt), gilt für ihn das gleiche wie beispielsweise für Krane oder Hubarbeitsbühnen, die unter Spannung stehen:

  • Es sollte (vorsichtig) vom Fahrzeug abgesprungen werden, damit nicht gleichzeitig das Fahrzeug und der Boden berührt wird und der Strom so über den Fahrer abfließen kann.
  • Zusätzlich sollte nicht breitbeinig gelandet werden. So wird die sogenannte Schrittspannung reduziert und das Risiko, dass der Strom aus dem sogenannten Spannungstrichter im Boden über unser Herz fließt, wird reduziert.
  • Anschließend sollte sich der Fahrer in kleinen Schritten vom Fahrzeug entfernen.
Darstellung Spannungstrichter Kran
Darstellung des Spannungstrichters

Sind alle Vorkehrungen getroffen, kann die eigentliche Bergung durch das Streckenpersonal beginnen. Dafür wird das Formel-1-Auto an einem bestimmten Anschlagpunkt mit einem Hebeband angeschlagen. Zusätzlich wird häufig eine Traverse eingesetzt. Bei der Anschlagsart handelt es sich um das Umlegen. Ein Herausrutschen wird dabei durch die Art der Konstruktion des Anschlagpunktes verhindert. Dieser ist in den „Technical Regulations“ der FIA in Abschnitt 12.4.1 festgeschrieben und liegt hinter dem Kopf des Fahrers am Lufteinlass. Die „Marshals“ werden hier also zu Anschlägern.

Formel 1 Wagen Anschlagpunkt
Ausreichend tragfähiger Anschlagpunkt zur Bergung an einem Fahrzeug von 2017 ohne Halo

Auch beim Anschlagen von Lasten im Betrieb gilt: Wenn definierte Anschlagpunkte an einer Last vorhanden sind, sind diese auch zu nutzen. Ansonsten riskiert man, die Last zu beschädigen, und das wäre im Falle eines Formel-1-Autos sehr kostspielig. Das Streckenpersonal wäre hier dann möglicherweise in der Haftung. Auch in Ihrem Betrieb kann es zu einem Haftungsfall kommen, weshalb Sie auch Anschläger unbedingt von qualifizierten Ausbildern schulen lassen sollten. Das unterstreicht auch die relativ neue DGUV Regel 109-017 „Betreiben von Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb“. Zudem sollten sie vom Unternehmer auch eine schriftliche Beauftragung erhalten (TRBS 2111).

Nach dem Wegheben des Formel-1-Autos wird abschließend die Unfallstelle gesäubert. Lose Teile werden weggeräumt, Dreck weggekehrt und eventuell ausgetretene Flüssigkeiten werden mit Bindemittel bestreut. Das sollte stets auch in Ihrem Betrieb geschehen, bevor die Arbeit wieder aufgenommen wird. Denn: Eine saubere Arbeitsstätte ist eine sicherere Arbeitsstätte.

Während all das soeben Beschriebene abläuft, fahren die Formel-1-Fahrer weiter hinter dem Safety Car langsam ihre Runden und drängen darauf, dass es schnell wieder mit dem Rennen weitergeht. Auch die Zuschauer möchten natürlich, dass es schnellstmöglich „Safety Car In“ und „Restart“ heißt. Doch hier gilt der Leitsatz: Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, denn Sicherheit geht immer vor.

Auch die Formel 1 verbringt lieber ein paar Runden mehr hinter dem Safety Car bis die Unfallstelle auch wirklich geräumt ist und so sollten auch Sie es tun. Gerade wenn es stressig ist und darauf gedrängt wird, die Arbeit möglichst schnell wieder aufzunehmen oder abzuschließen, heißt es „Ruhe bewahren“. Ansonsten sind Fehler die Folge, die zu weiteren Gefahren und Verzögerungen führen.

Wie zu Beginn des Artikels beschrieben, sieht man, dass aus der Formel 1 Sicherheit auch für die tägliche Arbeit im Betrieb in Sachen Arbeitssicherheit einiges zu lernen ist.

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