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Anschläger im Hebezeugbetrieb: So müssen Sie ausgebildet werden. Reicht eine Ausbildung als Kranführer?

Juni, 2023
Erschienen:
ARP - Arbeitsschutz in Recht und Praxis

Dem Themenfeld „Anschlagen von Lasten“ und "Ausbildung Anschläger" wird zunehmend mehr Beachtung geschenkt, sowohl in den Betrieben als auch seitens der DGUV beziehungsweise den Berufsgenossenschaften.

Dies zeigt sich zum Beispiel durch neue DGUV Regel 109-017 mit dem Titel „Betreiben von Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb“ im Dezember 2020.

Auch bei Überarbeitungen erscheint in immer mehr DGUV Grundsätzen und Regeln das Thema Anschlagen von Lasten, so zum Beispiel im DGUV Grundsatz 308-009, der die Ausbildung von Fahrerinnen und Fahrern von geländegängigen Teleskopstaplern regelt.

Diese Entwicklung findet nicht zuletzt statt aufgrund der hohen Unfallzahlen in diesem Bereich. Wie das Diagramm zeigt, passieren weitaus mehr Unfälle beim Anschlagen als beim eigentlichen Kranbetrieb. Bis 2019 war der Trend zudem steigend. Seit 2020 sinken die Unfallzahlen in dieser Kategorie glücklicherweise wieder, was nur vermuten lässt, dass auf die Arbeitssicherheit beim Anschlagen von Lasten in den letzten Jahren mehr Wert gelegt wird.

Unfallzahlen im Kranbereich nach der DGUV Statistik „Arbeitsunfallgeschehen“

Es muss dabei allerdings berücksichtigt werden, dass in der grünen Unfallkategorie nicht nur Unfälle beim Anschlagen, also mit Anschlagmitteln, enthalten sind, sondern auch weitere Bereiche, wie Unfälle bei der Ladungssicherung. Es liegen leider keine genaueren Daten vor, die das Anschlagen von Lasten konkret betrachten. Was sich aber dennoch aus den Unfallzahlen herleiten lässt, ist, dass es sich beim Anschlagen von Lasten um eine mit Unfallgefahren verbundene Arbeit handelt.

Häufig ist die Unsicherheit in den Betrieben groß, wenn es um die Ausbildung von Anschlägern von Lasten geht. In diesem Artikel sollen deshalb möglichst viele Fragen aus diesem Themenbereich beantwortet werden. Die beiden meistgestellten Fragen sind dabei:

  • Müssen auch Anschläger von Lasten ausgebildet werden?
  • Wann müssen Kranführer zusätzlich auch als Anschläger ausgebildet werden?

Müssen auch Anschläger von Lasten ausgebildet werden?

Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Ja, denn ein Arbeitgeber darf nur qualifiziertes, also unterwiesenes/ausgebildetes Personal einsetzen und das gilt auch für das Anschlagen von Lasten.

Auf oberster rechtlicher Ebene geht dies schon aus dem Arbeitsschutzgesetz (u. a. §§ 7 und 12) und der Betriebssicherheitsverordnung (u. a. § 6 und 12) hervor. Nach diesen rechtlich bindenden Vorgaben darf der Unternehmer Aufgaben nur an Personen übertragen, die auch befähigt/in der Lage sind diese Aufgaben sicher auszuführen. Zudem muss das Personal vor Aufnahme einer Tätigkeit diesbezüglich ausreichend unterwiesen werden.

Konkreter wird es in der neuen DGUV Regel 109-017.

DGUV Regel 109-017 als Ausbildungsgrundlage für das Anschlagen von Lasten

Die Grundlage für die Ausbildung als Anschläger ist die DGUV Regel 109-017 mit dem Titel „Betreiben von Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb“. Diese Regel gibt es erst seit Dezember 2020 und ist deshalb vielleicht noch nicht jedem bekannt.

Ausbildung Anschläger Rechtsgrundlage: DGUV Regel 109-017
© DGUV

Sie besagt bezüglich des Einsatzes von Anschlägern:

"Unternehmer und Unternehmerinnen dürfen mit dem selbstständigen Anschlagen von Lasten nur Personen beauftragen,
• die das 18. Lebensjahr vollendet haben,
• die körperlich und geistig geeignet sind,
• die für das selbstständige Anschlagen von Lasten qualifiziert sind und die der Unternehmerin oder dem Unternehmer ihre Befähigung dazu nachgewiesen haben und
• von denen zu erwarten ist, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben zuverlässig erfüllen."

- DGUV Regel 109-017 Punkt 3.4

Für das Anschlagen von Lasten gelten also die gleichen Voraussetzungen wie für die Kranführer oder auch Bedienpersonen von anderen mobilen Arbeitsmitteln wie Flurförderzeugen oder Erdbaumaschinen.

Entscheidend dabei ist, dass die Anschläger dem Unternehmer ihre Qualifizierung nachzuweisen haben. Das bedeutet, dass eine Prüfung zu absolvieren ist, da dies der einzige Weg ist, eine Befähigung rechtssicher nachzuweisen. Diese Prüfung sollte in Theorie und Praxis stattfinden, wie es auch die DGUV Regel vorsieht:

„Die Qualifizierung besteht aus theoretischen und praktischen Teilen. […] Die Qualifizierung trägt Merkmale einer fachlichen Ausbildung (theoretische Kenntnisse, praktische Fertigkeiten, erbrachte Lernerfolgskontrolle).“

- DGUV Regel 109-017 Anhang B

Auch in der TRBS 2111 (in Punkt 5.3.1) wird die Maßnahme „Qualifikation als Anschläger von Lasten“ zur Reduzierung mechanischer Gefährdung aufgeführt. Dort steht auch:

„Das fehlerhafte Anschlagen von Lasten kann […] den Anschläger und andere Beschäftigte gefährden. Die Gefährdung wird reduziert, wenn die Tätigkeit auf einen ausgewählten Kreis von Beschäftigten beschränkt und eine schriftliche Beauftragung zum Anschlagen von Lasten erteilt wird.“

- TRBS 2111 Punkt 5.3.2

Die geforderte schriftliche Beauftragung empfiehlt auch die DGUV:

„Es wird empfohlen, die Beauftragung schriftlich zu erteilen“

- DGUV Regel 109-017 Kapitel 3.4

Nicht zuletzt da eine Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) bei den Regeln der Technik eine juristisch noch höherrangige Einstufung hat als eine DGUV-Regel, sollte ein Unternehmer zur eigenen haftungsrechtlichen Absicherung immer eine schriftliche Beauftragung von Anschlägern vornehmen.

Um Rechtssicherheit zu bieten, ist auch eine Dokumentation der Ausbildung nötig:

„Eine erfolgreiche Qualifizierung muss dokumentiert werden; dazu gehören auch der inhaltliche und der zeitliche Umfang.“

- DGUV Regel 109-017 Anhang B

Um all den rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, sollte nach erfolgreichem Durchlaufen der Ausbildung mit bestandenen Prüfungen die erworbene Qualifizierung/Befähigung in einem rechtssicheren Fachausweis für Anschläger dokumentiert werden.

Fachausweis für Anschläger von Lasten im Hebezeugbetrieb / Ausweis Anschläger - Resch-Verlag und Bernd Zimmermann / IAG Mainz
Fachausweis für Anschläger von Lasten im Hebezeugbetrieb - Resch-Verlag

Dort kann neben der Ausbildung auch die Eignung und der geforderte schriftliche Arbeitsauftrag festgehalten werden.

Wer darf Anschläger von Lasten ausbilden?

Neben der Fragestellung, ob Anschläger ausgebildet werden müssen, stellt sich daran anschließend auch die Frage, wer die Ausbildung durchführen darf.

Wie die Anschläger selbst, müssen auch ihre Ausbilder für ihre Tätigkeit ausreichend qualifiziert sein. Dafür müssen sie auf dem aktuellen Stand der Technik sowie des Rechts sein. Zudem müssen sie alle Zusammenhänge verstehen und ausreichendes Fachwissen sowie Erfahrung haben.

Um als Unternehmer auch hier rechtssicher zu sein, sollten Ausbilder von Anschlägern an einem entsprechenden Lehrgang für Ausbilder von Anschlägern teilnehmen, in dem sie die Fachkunde und Befähigung als Ausbilder für Anschläger tätig zu sein erwerben. Ansonsten kann es nach einem Unfall passieren, dass die Ämter und Ermittlungsbehörden bemängeln, dass die für die Durchführung der Ausbildung ausgewählte Person dafür nicht ausreichend qualifiziert war.

Das Themengebiet des Anschlagens ist größer als vielen bewusst ist. Auch Ausbilder für Kranführer wissen meist nicht alles, was nötig ist, um als Ausbilder für Anschläger tätig zu werden. Nicht umsonst umfasst eine vollumfängliche Ausbildung als Anschläger nach Vorgaben der DGUV 31,5 Lehreinheiten, also mehr als 3 volle Tage. Je nachdem welche Inhalte in der Praxis tatsächlich benötigt werden, kann die Ausbildungszeit auch reduziert werden. Dabei ist jedoch zu empfehlen, die tatsächlichen Ausbildungsinhalte und die Ausbildungsdauer zu dokumentieren (s. DGUV Regel 109-017 Anhang B), damit nichts bescheinigt wird, das nicht tatsächlich auch gelehrt wurde.

Anschlagen von Lasten als Teil der Kranführerausbildung

Komplizierter wird es nun, wenn die Person, die Lasten anschlagen soll, auch zugleich ausgebildeter Kranführer ist. Denn der Nachweis der Befähigung als Anschläger kann bereits im Rahmen der Ausbildung als Kranführer stattgefunden haben. Diese Problematik besteht in der Praxis oft, da diese beiden Arbeitsbereiche so eng miteinander in Verbindung stehen.

Fahrausweis für Krane - Resch-Verlag und Bernd Zimmermann / IAG Mainz
Wer einen solchen Ausweis hat, darf unter Umständen auch als Anschläger eingesetzt werden, © Resch-Verlag

Der DGUV Grundsatz 309-003 mit dem Titel „Auswahl, Unterweisung und Befähigungsnachweis von Kranführern“, der die Ausbildung von Kranführern regelt, sieht bereits einige Inhalte im Bereich Anschlagen von Lasten vor.

In Theorie:

Lastaufnahmeeinrichtungen und Anschlagen von Lasten
- Definition und Begriffe von Lastaufnahmeeinrichtungen,
- Kennzeichnung der Lastaufnahmeeinrichtungen, […]
- Auswahl und Einsatz geeigneter Lastaufnahme- und Anschlagmittel,
- richtiges Anschlagen von Lasten, […]
- Ablegereife von Anschlag- und Lastaufnahmemitteln“

- DGUV Grundsatz 309-003 Kapitel 3.2.1

In Praxis:

Übungen mit dem Kran
[…] – Arbeiten mit Anschläger, […]
- Anschlagen von Lasten“

- DGUV Grundsatz 309-003 Kapitel 3.3 Abschnitt 2
DGUV Grundsatz 309-003 Cover
DGUV Grundsatz 309-003 Cover

Die Grundzüge des Anschlagens von Lasten sind bzw. sollten demnach auch in einer Kranführerausbildung nach DGUV G 309-003 enthalten sein. Der Grundsatz gibt allerdings auch Freiheit in der zeitlichen Gestaltung, indem er sagt:

„Der Inhalt und die Dauer der Unterweisung sind abhängig […] von den auszuführenden Kranarbeiten einschließlich Anschlagarbeiten.“
- DGUV Grundsatz 309-003 Kapitel 3.1

Im Rahmen der Kranführerausbildung kann der Kranführer dem Unternehmer also bereits seine Befähigung als Anschläger nachgewiesen haben. Das ist natürlich nur dann der Fall, wenn das Anschlagen von Lasten auch tatsächlich Ausbildungsinhalt bei der Ausbildung zum Kranführer war und auch Prüfungsinhalt war.

In der Praxis wird dieses Thema (meist aus Zeitmangel) in der Kranführerausbildung allerdings häufig vernachlässigt oder gar nicht behandelt.

Anschlagen von Lasten auch mit anderen Arbeitsmitteln als Kranen

Das Thema Anschlagen von Lasten betrifft übrigens nicht nur den Bereich der Krane. Auch mit Erdbaumaschinen, Flurförderzeugen und Teleskopmaschinen können, dürfen und werden hängende Lasten transportiert, die auch angeschlagen werden müssen.

Die Grundzüge des Anschlagens werden deshalb auch bei all diesen mobilen Arbeitsmitteln als Ausbildungsinhalt in irgendeiner Weise gefordert:

  • Flurförderzeuge DGUV Grundsatz 308-001: „Transport hängender Lasten“
  • Teleskopstapler DGUV Grundsatz 308-009: „Geeignete Lastaufnahme- und Anschlagmittel auswählen“ und „Lasten sicher anschlagen“ in der Theorie sowie „Auswahl geeigneter Lastaufnahme- und Anschlagmittel und Einüben des sicheren Anschlagens an der Last“ in der Praxis.
  • Erdbaumaschinen DGUV Grundsatz 305-001: „Lasthaken“ und „Lastaufnahmemittel/Anschlagmittel“

Die Sachverhalte aus diesem Artikel lassen sich also auch analog auf Bediener von Flurförderzeugen/Staplern, Teleskopmaschinen und Erdbaumaschinen übertragen.

Ab wann muss ein Kranführer zusätzlich als Anschläger ausgebildet werden?

Bei der Beantwortung dieser Frage kommt unweigerlich auch die Frage auf: Wann ist man noch Kranführer und ab wann ist man Anschläger? Anschläger ist zunächst jeder, der eine Last anschlägt. Diese Person muss allerdings nicht immer auch getrennt als Anschläger ausgebildet sein. Die Schwierigkeit an der Sache ist: Es gibt einen fließenden Übergang von einem reinen Kranführer, der als Kranführer ausgebildet ist, zu einem reinen Anschläger, der eine Schulung als Anschläger vorweisen können muss.

Übergang von Kranführer zu Anschläger Abbildung
Fließender Übergang vom reinen Kranführer zum reinen Anschläger

Es gibt keinen bestimmten Punkt in den Rechtsvorschriften, ab dem man einen Kranführer zusätzlich als Anschläger ausbilden muss. Fest steht: Es gibt einen Punkt auf dem Pfeil in der Abbildung, ab dem der Unternehmer zum Entschluss kommen muss, dass eine Ausbildung als Kranführer nicht mehr ausreicht. Zu entscheiden, wo sich dieser Punkt befindet, liegt im Ermessen des Unternehmers.

Falls es allerdings zu einem Unfall beim Anschlagen durch einen Kranführer kommt, ist die Frage seitens der Behörden wahrscheinlich, wieso dieser keine zusätzliche Befähigung als Anschläger hatte. Der Unternehmer hat dann zu erläutern, wieso diese gesonderte Ausbildung nicht nötig war.

Die Empfehlungen des IAG Mainz

Wer kein ausgebildeter Kranführer ist, sollte in jedem Fall als Anschläger ausgebildet werden, sobald er Lasten selbstständig anschlägt. So sieht es auch die DGUV Regel 109-017 vor.

Wenn ein Mitarbeiter hauptsächlich zum Führen eines Kranes eingesetzt wird und nur ab und zu seine eigenen unkomplizierten Lasten anschlägt, muss er keine gesonderte Ausbildung als Anschläger absolvieren, sofern er die Grundzüge des Anschlagens bereits in seiner Ausbildung zum Kranführer erlernt hat und diese auch abgeprüft wurden.

Dies gilt allerdings nur, wenn er durch seine Ausbildung als Kranführer tatsächlich das ausreichende Wissen zum Anschlagen seiner konkreten Lasten erhalten hat. In einem solchen Fall sollte genau dokumentiert werden, was Ausbildungsinhalt war und welche Lasten im Betrieb vom Kranführer angeschlagen werden.

Wer ausgebildeter Kranführer ist, sollte zusätzlich als Anschläger ausgebildet werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte erfüllt werden:

  • Das Anschlagen von Lasten war nicht Inhalt der Kranführerausbildung (obwohl es das nach DGUV G 309-003 sollte).
  • Das Anschlagen von Lasten war zwar Teil der Kranführerausbildung, wurde aber nicht abgeprüft. (Der Nachweis der Befähigung als Anschläger nach DGUV Regel 109-017 wurde also nicht erbracht)
  • Es werden Lasten angeschlagen, für die Kenntnisse notwendig sind, die nicht Teil der Ausbildung als Kranführer waren.
  • Der Kranführer schlägt regelmäßig Lasten ausschließlich an, ist also als Gehilfe für einen anderen Kranführer tätig.
  • Es werden komplexe Lasten angeschlagen für die Sonderwissen nötig ist (z. B. asymmetrische, zerbrechliche, besonders schwere oder große Lasten).
  • Es werden besondere Anschlag- oder Lastaufnahmemittel (z. B. Traversen oder kraftschlüssige Lastaufnahmemittel) oder Anschlagarten verwendet.
  • Es werden häufig verschiedene Lasten angeschlagen.
  • Es werden besondere Hebetechniken durchgeführt (z. B. Drehen und Wenden von Lasten)
  • Es ist im Vorhinein nicht klar, welche Lasten angeschlagen werden müssen (z. B. bei Vermietung eines Kranes einschließlich Kranführer/Anschläger). In einem solchen Fall ist die volle Ausbildung als Anschläger nötig.

Nach der Ausbildung zum Anschläger sollte der Kranführer dann auch den zusätzlichen Fachausweis für Anschläger erhalten. Diesen kann er bei Bedarf gegenüber den Behörden und Ämtern vorzeigen, so sind er und der Unternehmer rechtlich auf der sicheren Seite.

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